► 1949: 25 Jahre Sender Leipzig

      

1. März 1949: Der „MITTELDEUTSCHE RUNDFUNK, SENDER LEIPZIG“ feiert
sein 25jähriges Jubiläum


Vor nunmehr 100 Jahren, am 1. März 1924, ging in Leipzig der erste Sender für Unterhaltungsrundfunk, die „Mitteldeutsche Rundfunk-A.-G.“, kurz MIRAG, auf Sendung, aber die Würdigung dieses doch beachtlichen Jubiläums hielt sich sehr in Grenzen.

Um so bemerkenswerter scheint uns ein kleiner Rückblick auf das Jahr 1949 zu sein, in dem der damalige „MDR, Sender Leipzig“ sein 25jähriges Jubiläum feierlich begangen hat.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 lag auch in Leipzig der Rundfunk am Boden - das Funkhaus, das MIRAG-Haus am Markt, war zwar nicht restlos zerstört, aber durch Bomben 1943 stark beschädigt; der MW-Sender Wiederau seit 12. April ohne Strom. Nach dem Einzug der Sowjetischen Besatzungsmacht im Juli 1945 wurde der Wiederaufbau des Rundfunkwesens forciert und Wiederau konnte ab September 1945 wieder senden - zunächst mit dem Programm des „Berliner Rundfunks“.

Nach einem Intermezzo, genannt „Radio Leipzig“, kam es zur Gründung des „Mitteldeutschen Rundfunks, Sender Leipzig“. Die regelmäßigen Sendungen dieses „zweiten“ Mitteldeutschen Rundfunks begannen am 3. Juni 1946 aus dem zum Funkhaus umgebauten Barmenia-Gebäude in der Springerstraße 24 in Leipzig-Gohlis.

Funkhaus Springerstraße

Unter der Obhut der „Zentralverwaltung für Volksbildung“ und unter Kontrolle der Sowjetischen Militär-Administration, der SMAD, war nach dem „Berliner Rundfunk“ in Leipzig die zweite Rundfunkanstalt in der Sowjetischen Besatzungszone mit einem Vollprogramm entstanden.
Der Musiktradition von Leipzig und dem des Leipziger Rundfunks verpflichtet wurde frühzeitig beschlossen, dem Funkhaus einen neuen „Großen Sendesaal“ anzufügen, der bereits zur Leipziger Messe im September 1947 eröffnet werden konnte. Damit war auch die Grundlage für eine umfangreiche Musikproduktion mit insgesamt 9 MDR-eigenen Klangkörpern gegeben. Zahlreiche Original-Sendungen, auch mit Publikum, sind von hier übertragen worden, noch jahrelang wurden auch öffentliche Führungen durchs Funkhaus angeboten.

Magnetofon+W24
             Sendesaal Ü-Wagen

Eine kleine, reich bebilderte Festschrift, die im März 1949 herausgegeben wurde, vermittelt einen Eindruck von der damaligen Rundfunk-Situation in Leipzig. Im Vorwort dieser Broschüre schrieb der damalige Stellvertretende Intendant, Werner Fehlig unter anderem folgendes:

Werner Fehlig
Werner Fehlig

„Fünfundzwanzig Jahre liegen zwischen uns und dem 1. März 1924, an dem sich der Sender Leipzig zum ersten Male in einigen hundert Kopfhörern meldete. Heute zählt der Mitteldeutsche Rundfunk Leipzig mit seiner Millionenhörerschaft zu den meistgehörten deutschen Sendern. Er strahlt mit einer 100‑Kilowatt‑Großsendeanlage in Wiederau, die in ganz Deutschland empfangen wird. Seine Kurzwelle im 30‑m‑Band wird mit 25 Kilowatt betrieben und in vielen Teilen der Welt ständig aufgenommen. Die angeschlossenen Landessender Dresden, Weimar und Halle übernehmen das mitteldeutsche Programm aus Leipzig auf ihre Sendeanlagen und ergänzen es durch eigene Beiträge. Doch nicht nur eine Kette unaufhaltsamer technischer Entwicklung verbindet uns über fünfundzwanzig Jahre hinweg mit der Geburtsstunde des Mitteldeutschen Rundfunks. Skrupelloser Geschäftssinn und politische Verantwortungslosigkeit ließen auch den Rundfunk zum Wegbereiter des deutschen Faschismus werden. Der damit beginnende unerhörte kulturelle Abstieg folgte dem des deutschen Volkes und half doch gleichzeitig ihn herbeiführen. An seinem Ende stand 1945 ein zerstörtes und völlig ausgebranntes Funkhaus. Bereits am 1. September des gleichen Jahres wurde der Sendebetrieb wieder aufgenommen. Zunächst mit dem Berliner Programm, ab 4. Juni 1946 aus dem neuen großen Funkhaus wieder mit selbständiger mitteldeutscher Sendefolge. Knapp drei Jahre dieser jüngsten Entwicklung liegen hinter uns. Sie haben gezeigt, daß der neue demokratische Rundfunk mit Entschiedenheit gewillt ist, aus der Vergangenheit Konsequenzen zu ziehen. Er tritt ein für die Errichtung einer demokratischen Ordnung in ganz Deutschland, für den Aufbau einer unabhängigen deutschen Friedenswirtschaft, für kulturellen Fortschritt und Völkerverständigung, FÜR EINHEIT UND FRIEDEN.“

In dieser Broschüre kommen als Gratulanten maßgebende Persönlichkeiten der damals noch existierenden „Sowjetischen Besatzungszone“ aus  Politik, Wirtschaft und Kultur zu Wort.
Beispielsweise erinnerte sich Thomaskantor Günther Ramin ganz besonders an die Rundfunk-Anfänge in Leipzig:
„An die Eröffnung des Mitteldeutschen Rundfunks vor 25 Jahren habe ich deshalb eine besonders deutliche Erinnerung, weil bei dieser der Thomanerchor mitgewirkt hat und ich damals in Vertretung von Herrn Professor Straube diese erste Rundfunkübertragung des Chores geleitet habe. Seitdem bin ich in ständiger Fühlung mit dem Rundfunk geblieben und habe beobachten können, wie sehr in dem verflossenen Zeitraum die Gesellschaft bestrebt gewesen ist, den Sendungen, die dem mitteldeutschen Raum vor allem galten, ein hohes Niveau zu geben ...[...]... und ich möchte für die Zukunft dem 'Wunsche Ausdruck geben, daß unsere Verbindung zur Freude vieler Hörer sich gedeihlich fortentwickeln möge.“

Höhepunkt der Feierlichkeiten zum damaligen Jubiläum war dann der - live übertragene - Festakt im neu erbauten „Großen Sendesaal“, dazu spielte das „Sinfonie-Orchester des Senders Leipzig“ unter Leitung von Prof. Hermann Abendroth.

Prof. H. Abendroth
Prof. H. Abendroth 1949

Mitschnitt der Ansage zu diesem Konzert:



Ausführliches über die MDR-Geschichte lesen Sie in dem Buch

Radio-Geschichte(n)
von Hagen Pfau und Steffen Lieberwirth (Hsg);
Verlag Kamprad Altenburg, 2000 und 2002.

Die Bilder entstammen der genannten Jubiläumsschrift des MDR, Sender Leipzig,
und dem Heft „5 Jahre Demokratischer Rundfunk“ von 1950.


◄ zurück